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Gefährdungsbeurteilung: Lieferung, Lagerung und Handhabung von Prozessgasen

Facility Management: Gase » Strategie » Gefährdungsbeurteilung

Gefährdungsbeurteilung zum Thema „Technische Gase / Lieferung, Lagerung und Handhabung von Prozessgasen

Gefährdungsbeurteilung zum Thema „Technische Gase / Lieferung, Lagerung und Handhabung von Prozessgasen

In vielen Industriezweigen kommen technische Gase zum Einsatz – etwa in der Metallverarbeitung (Schweißen, Schneiden), Chemieindustrie (Prozess- und Reaktionsgase), Lebensmittelindustrie (CO₂ für Sprudelprozesse, Stickstoff für Verpackung), Medizintechnik (Sauerstoff), Elektronikfertigung (Edelgase, Ätzgase) und in zahlreichen weiteren Anwendungen. In diesem Zusammenhang ist es unverzichtbar, die mit dem Umgang, der Lagerung und der Handhabung technischer Gase verbundenen Gefährdungen systematisch zu ermitteln und geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten. Dies erfolgt im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung (GBU) gemäß den Vorgaben des Arbeitsschutzes. Typische Risiken sind Druck, toxische / brennbare Eigenschaften, Sauerstoffverdrängung, Kälte, Reaktionsgefahren, Inkompatibilität mit anderen Stoffen.

„Technische Gase“ bergen ein hohes Gefährdungspotenzial durch Druck, chemische Eigenschaften (brennbar, oxidierend, toxisch) oder kryogene Temperaturen. Eine Gefährdungsbeurteilung nach ArbSchG, GefStoffV und BetrSichV ist unumgänglich, um das Risiko von Bränden, Explosionen, Vergiftungen oder Erstickungen effektiv zu reduzieren. Entscheidend dabei sind korrekte Lagerung (gemäß TRGS 510), geeignete Arbeitsmittel (druckfeste Behälter, Ventile, Anschlüsse), Organisationsmaßnahmen (Betriebsanweisungen, Schulungen), Personenschutz (PSA, Unterweisungen) und ein Notfallmanagement (Gaswarnanlagen, Evakuierungspläne). So stellen Unternehmen sicher, dass Prozessgase sicher gehandhabt und Personen, Betrieb und Umwelt zuverlässig geschützt werden.

Rechtliche Rahmenbedingungen im Facility Management

Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)

  • § 5 ArbSchG verpflichtet Arbeitgeber zur systematischen Ermittlung von Gefährdungen für alle Tätigkeiten, in denen Beschäftigte (oder andere Personen) potenziellen Risiken ausgesetzt sind.

  • Der Umgang mit technischen Gasen gilt als Tätigkeitsbereich mit erhöhtem Gefährdungspotenzial, weshalb eine GBU zwingend ist.

Gefahrstoffverordnung (GefStoffV)

  • Gase sind häufig als Gefahrstoffe eingestuft (z. B. entzündbar, oxidierend, giftig, ätzend). Die GefStoffV schreibt eine spezielle Gefährdungsbeurteilung für alle Tätigkeiten mit Gefahrstoffen vor.

  • Neben Einstufung, Kennzeichnung und Lagerung sind auch Schutzmaßnahmen und ggf. Betriebsanweisungen notwendig.

Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV)

  • Gase werden oft in Druckgasflaschen oder -behältern transportiert und gelagert, was sie zu überwachungsbedürftigen Anlagen machen kann (z. B. beim Betrieb von Druckbehältern, Kryotanks).

  • Vor Inbetriebnahme und bei wesentlichen Änderungen ist eine Gefährdungsbeurteilung erforderlich. Auch regelmäßige Prüfungen sind vorgeschrieben.

Technische Regeln für Gefahrstoffe (TRGS)

  • Etwa TRGS 510 „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern“ oder TRGS 407 „Tätigkeiten mit Gasen – Gefährdungen durch Druck“. Diese Technischen Regeln konkretisieren die Anforderungen aus der GefStoffV.

DGUV Vorschriften und Regeln

  • DGUV Vorschrift 79 (Gase), DGUV Regel 100-500 (Betreiben von Arbeitsmitteln) usw. können je nach Branche ergänzend relevant sein.

  • Grundsätzlich fordern diese eine systematische Gefahrenermittlung, Dokumentation, Unterweisung und geeignete Schutzmaßnahmen.

Vielfältige physikalische und chemische Risiken

  • Druck: Gase werden in Druckbehältern gelagert (Flaschen, Tanks). Ein falscher Umgang, Beschädigung oder unsachgemäßer Transport kann zum Bersten oder Wegschleudern von Flaschen führen.

  • Chemische Eigenschaften: Gase können explosiv, brandfördernd (z. B. Sauerstoff), toxisch (z. B. Chlor), inert (Erstickungsgefahr durch Verdrängung von Sauerstoff), oder korrosiv sein.

  • Tieftemperatur (Kryogene Gase wie flüssiger Stickstoff, Helium): Gefahr von Kälteverbrennungen, Versprödung von Materialien und Nebelbildung.

Unterschiedliche Anwendungen und Umgebung

  • In der Industrie kann es zu gleichzeitigen Tätigkeiten (z. B. Schweißen oder Schneiden mit Gasen, parallel laufende Maschinen mit Zündquellen) kommen. Fehlende Koordination erhöht das Unfallrisiko.

  • Lagerung in engen Räumen oder Kellern birgt besondere Gefahren (unzureichende Belüftung → Erstickungsgefahr).

Rechtliche Verantwortung

  • Der Arbeitgeber haftet für Unfälle, die durch mangelnde oder fehlende Schutzmaßnahmen beim Umgang mit Gasen entstehen.

  • Eine GBU beugt Haftungsrisiken vor und hilft, den Vorschriften nachzukommen.

Wechselwirkungen

  • Manche Gase sind ineinander unverträglich (z. B. Oxidationsmittel und brennbare Gase), andere reagieren mit den Materialien der Anlagen.

  • Fehlende Trennung, falsche Lagerung oder Vermischen kann zu Bränden, Explosionen oder Korrosionen führen.

Vermeidung von Personen- und Sachschäden

  • Ein unsachgemäßer Umgang mit Gasen hat potenziell schwerwiegende Folgen (Explosion, Vergiftung, Ersticken).

  • Ein strukturiertes Fluid-/Gas-Management inkl. GBU schützt Mitarbeiter und den Betrieb.

Druck- und Ausströmung

  • Beim Abkoppeln oder Beschädigen einer Gasflasche tritt Gas rasant aus → Verletzungsgefahr durch weggeschleuderte Flasche oder Bauteile.

  • Unkontrollierter Druckabfall kann Personen umstoßen oder zu unkontrollierter Gasfreisetzung führen.

Brand- und Explosionsrisiko

  • Brennbare Gase (Wasserstoff, Acetylen, Propan) können mit Luft explosive Gemische bilden. Schon ein kleiner Funke genügt.

  • Oxidierende Gase (z. B. Sauerstoff) erhöhen die Brandintensität, Fette und Öle können sich selbst entzünden, wenn sie mit Drucksauerstoff in Berührung kommen.

Erstickungsgefahr / Sauerstoffmangel

  • Inertgase (Stickstoff, Argon, Helium) sind nicht giftig, aber können Sauerstoff verdrängen. In geschlossenen Räumen droht Erstickung.

  • Oft bleibt Sauerstoffmangel unbemerkt, da inertgase geruch- und farblos sind.

Chemische Toxizität / Ätzwirkung

  • Toxische Gase (Chlor, Ammoniak, Kohlenmonoxid) können bei Leckage schnell zu schweren Gesundheitsschäden oder Tod führen.

  • Ätzende Gase (z. B. Halogene) greifen Schleimhäute und Atemwege an.

Kälteverbrennung

  • Bei flüssigen Gasen (z. B. flüssiger Stickstoff, -196 °C) kann direkter Hautkontakt zu Kryoverletzungen (Kälteverbrennung) führen.

  • Verspröden von Anlageteilen, Leitungen und Dichtungen bei tiefen Temperaturen.

Materialunverträglichkeit

  • Gase können Dichtungen, Schläuche oder Ventile angreifen. Dann droht Leckage, Korrosion oder Versagen von Sicherheitseinrichtungen.

TRGS 510 „Lagerung von Gefahrstoffen in ortsbeweglichen Behältern

  • Umfasst konkrete Anforderungen an Lager- und Aufstellräume für Druckgasflaschen, Klassifizierungen, Kennzeichnungen, Sicherheitsabstände.

TRGS 407 „Tätigkeiten mit Gasen – Gefährdungen durch Druck

  • Beschreibt Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen im Umgang mit Gasen unter Druck.

DGUV Regel 100-500, Kapitel 2.31 „Füllen und Umfüllen von Gasen

  • Enthält Hinweise zur sicheren Handhabung von Gasen, Füll- und Umfüllanlagen, Transport.

EN 12074 / EN ISO 10286

  • Normen zu Gasflaschen, deren Ventile, Sicherheitseinrichtungen, Kennzeichnungen.

Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und entsprechende TRBS

  • Speziell für Druckbehälter, Anlagensicherheit, Prüfintervalle.

Erfassen der Gase und Tätigkeiten

  • Welche Gase (Chemische Zusammensetzung, Gefahrenklasse), welche Mengen, in welchen Behältern (Flaschen, Kryotanks, Rohrleitungen)?

  • Welche Prozesse (Schweißen, Kühlen, Spülen, Reaktion) und welche Umgebungsbedingungen (Temperatur, Belüftung, Zündquellen)?

Identifikation der Gefährdungen

  • Einbezug der Sicherheitsdatenblätter (SDB) der Gase.

  • Analysekriterien: Druck, Entzündbarkeit, Reaktivität, Toxizität, Explosionsgefahr, Sauerstoffverdrängung, Kältewirkung.

  • Mögliches Zusammenwirken mit anderen Stoffen, Gefahren durch Mischeffekte.

Bewertung

  • Eintrittswahrscheinlichkeit und Ausmaß eines potenziellen Schadens (z. B. Explosion, Vergiftung, Brand).

  • Berücksichtigen besonderer Gruppen (z. B. ungeschulte Mitarbeiter, Fremdfirmen, Besucher).

Maßnahmenableitung

  • Technisch: Belüftungskonzept (z. B. Gaswarnanlagen), Sicherheitsventile, Leckage-Erkennung, druckfeste Räume, temperaturisolierte Behälter, kennzeichnungspflichtige Lager.

  • Organisatorisch: Betriebsanweisungen, klare Lagerbereiche (Trennung nach Gasart), Schulungen, Freigabeverfahren (Heißarbeiten), Notfallkonzept (u. a. Evakuierungsplan, Alarmierung).

  • Personell: PSA (z. B. Schutzhandschuhe, Gesichtsschutz bei Kryogenen), Unterweisungen zu Gasgefährdungen, regelmäßige Checks durch Fachpersonal.

Dokumentation

  • Nach § 6 ArbSchG: Alle relevanten Punkte, Gefahren, Schutzmaßnahmen und Verantwortlichkeiten schriftlich oder elektronisch festhalten.

  • Verknüpfung mit Gefahrstoffverzeichnis gemäß GefStoffV.

Überprüfung und Aktualisierung

  • Regelmäßig (z. B. jährlich oder nach Vorfällen), bei Änderungen (neue Gase, neue Anlagenteile, Prozessumstellungen).

  • Einbeziehung von Erkenntnissen aus Beinaheunfällen, Wartungsberichten und Schulungsfeedback.

Gaswarntechnik

  • Bei potenziell gefährlichen Gasen (z. B. CO, NH₃, inert-Gase) ist der Einsatz von Gasdetektoren oder Gasmessanlagen sinnvoll/erforderlich.

  • Warnmelder sollten bei Erreichen kritischer Konzentrationen Alarm geben (akustisch/optisch), ggf. automatische Absperrung.

Räumliche Anforderungen

  • Lagerung und Aufstellung von Gasflaschen in gut belüfteten, kühlen, trockenene Bereichen.

  • Vermeidung direkter Sonneneinstrahlung oder Hitzequellen.

  • Ausreichende Abstandsregeln (z. B. zu Notausgängen, Fußwegen).

Transport

  • Interner und externer Transport (z. B. Lieferanten) bedarf geeigneter Sicherung: Transportschutzen (Ventilkappe), Halterungen, korrekte Kennzeichnung.

  • Gefahrgutvorschriften (ADR) bei Straßenbeförderung nicht vergessen.

Personalschulung

  • Spezielle Schulungen (Umgang mit Sauerstoff, Acetylen, toxischen Gasen, Kryotechnik).

  • Ggf. Atemschutztraining, Verständnis für Ex-Zonen, Erste-Hilfe-Maßnahmen bei Kälte- oder Verätzungsverletzungen.

Notfallpläne

  • Evakuierungs- und Alarmplan, z. B. bei Gasaustritt.

  • Verfügbarkeit von Notduschen, Augenduschen, Feuerlöschern (CO₂-, Pulver- oder Speziallöschmittel) und Notfallausrüstung (z. B. Selbstretter).